Bomben auf Neumühlen

Auszug aus dem Brief eines Augenzeugen vom 8. August 1943

Wie Du siehst bin ich wieder heil in Neumühlen gelandet und will Dir nun den versprochenen Bericht geben. Allerdings ist auch mein Wissen nur lückenhaft, und manches wirst Du inzwischen wohl auch schon von Leuten gehört haben, die selbst den Schlamassel mitgemacht haben.

Nachdem wir lange Zeit keinen Alarm gehabt hatten und auch in letzten Alarmen nichts losgewesen war, gab es Sonnabend-abend gegen 1 Alarm. Es war erst gar nichts los, doch nach einer halben Stunde ging ein ziemlicher Tanz los. Bomben nah und fern, es brennt ringsherum. Das Donnerschloß stand in hellen Flammen, in Oevelgönne, in Neumühlen waren Phosphorbomben heruntergekommen, die aber von der Minenlegercrew schnell gelöscht wurden. Schuppen F neben dem Getreidespeicher hatte eine ziemliche Sprengbombe bekommen, Schuppen E, der flache beim Heuberg, brannte sowie verschiedene Waggons auf den Gleisen.

Aufsicht auf Neumühlen um 1940. Links oben das Donnerschloß
Aufsicht auf Neumühlen um 1940. Links oben das Donnerschloß

Das Kühlhaus war taghell angestrahlt von den Bränden in Altona. Eine unheimlich dicke Qualmwolke stand am Himmel und obwohl es den ganzen Tag das schönste Wetter gewesen, und der Himmel im Westen durchaus klar war, fing es plötzlich mit dicken Tropfen an zu regnen. Oben in der Stadt waren, wie wir später hörten, durch die ungeheure Hitze regelrechte Wirbelstürme entstanden, die einige Bäume entwurzelt haben, dazu war oben auch ein an einigen Stellen richtig starker Regen, der aber durch den Sott alles schwarz färbte, heruntergekommen.

Die Schießerei hatte mit ganz kurzen Pausen etwa 1 1/2 Stunden gedauert. Wir sind nach dem Alarm noch einmal auf die Brücke und zum Donnerschloß gegangen, das wie eine Bühnendekoration aussah: Die Flammen schlugen aus dem Turm, und es war trotz allem ein wunderschöner Anblick. Gewiß hatten wir gemerkt, daß es ein Großangriff gewesen war, aber von dem wirklichen Ausmaß machten wir uns doch keine Vorstellung.

Bombentreffer in Waltershof 1943 von Övelgönne aus gesehen
Bombentreffer in Waltershof 1943 von Övelgönne aus gesehen

Als wir wieder zu Hause waren, war das Licht ausgefallen, das Telefon schon vorher. Die ganze Nacht hörte man ständig noch Zeitzünder hochgehen und auch andere Explosionen. Sonntag morgen wollte es überhaupt nicht Tag werden. Eine dicke Qualmwolke bedeckte den ganzen östlichen und südlichen Himmel (der Wind war flau NNW etwa). Die Sonne kam nur als dunkelrote Scheibe durch diese Wolken hindurch.