Altonaer Neueste Nachrichten vereinigt mit Altonaer Bürger-Zeitung, August 1924
Montag, 11. August 1924
Vom Dienstag 12. August bis Sonnabend 16. August werden allabentlich von 6 Uhr an Flugzeugvorführungen auf der Elbe bei Neumühlen – Oevelgönne stattfinden. Bei dem großen Interesse, das dem Flugsport entgegengebracht wird, werden diese Vorführungen sicher große Scharen von Besuchern nach der Flottbecker Chaussee und dem Elbstrande locken.
Die verwegensten Kunststücke, Loopings, Trapezübungen unter dem Fahrgestell, Schauflüge u.a.m., werden gezeigt. Alle Flüge werden ausgeführt von dem bekannten Fallschirmpiloten Gadow, dem Luftakrobaten Karl Hörmann und den bekannten „Roten“ der Bäumer-Aero- GmbH.
Nach dem Absprung in die Elbe wird Herr Gadow am Dienstag in der „Elbschlucht“ und am Freitag im „Neumühlener Fährhaus“ Vorträge mit Vorführung des Fallschirms halten. Während der Flugwoche werden sämtliche dort befindliche Lokale, wie Elbschlucht, Groths Garten, Hoppes Garten, Stendels Fernsicht, Neumühlener Fährhaus, Ritschers Wirtshaus, Robert Fischer und Meyers Konditorei Konzerte u.s.w. veranstalten.
Der Flugwoche erster Tag, Fallschirmabsprung
Mittwoch, 13. Aug. 1924
Es verlief glänzend und programmäßig. Es war aber auch ein Wetterchen, wie es sich kein Flieger und kein Zuschauer prächtiger wünschen konnte. Den ganzen Nachmittag quoll Publikum in dicken schwarzen Strömen den Elbberg, den Mühlenberg und den Schulberg hinunter an den Strand, um einen guten Sitz-, Liege- oder Stehplatz zu erwischen. Später stellte sich heraus, daß die Elbe mit ihrem sanft ansteigenden Nordufer für Veranstaltungen solcher Art sich weit besser eignet als die zwischen flache Straßenzüge gebettete Alster. Gestern sah jeder alles, was versprochen worden war.
Den Strand und die Biergärten belebte bald eine wimmelnde Menge. Am besten daran war die schwimmkundige Jugend, die ganz einfach nach den vor Oevelgönne ankernden Jollen und Booten hinüberschwamm und es sich bequem machte. Andere versuchten die schräg ins Wasser ragenden Pfähle an der Dampferbrücke zu erklettern. Es war schwierig, die vom Elbschlick glitschiege Schrägung hinauf zu klimmen, aber die Jungens waren hartnäckig wie die Fliegen im Sirupstopf und schließlich schafften sie es und saßen in ihren drolligen knallroten Badehosen hoch auf den Duckdalben. Das Schwimmen in der Elbe ist nebenbei bemerkt, strengstens verboten.
Um 6 Uhr sollte der Sprung aus dem Flugzeug vor sich gehen. Es dauerte etwas länger, aber das Publikum hatte nichts zu versäumen. Es brauchte nicht, wie das sonst üblich ist, stundenlang in drangvoll fürchterlicher Enge eingekeilt zu stehen und zwischen zwei Damenhüten und einer Kanzleiratsglatze mühsam hindurch zu spähen, um am Ende doch nichts zu sehen. Nein, jeder blieb liegen oder sitzen, wo er war oder wandelte noch ein wenig Lust zwischen Oevelgönner Gärten, in denen die Dalien prangen.
Und jetzt, gegen halb 7, erschien dann richtig von Norden her der Flieger in schnurgerader Fahrt und beträchtlicher Höhe, zunächst nicht viel größer anzusehen als ein Aluminiumgroschen. Er zirkelte ein paar elegante Kreise auf den heute wirklich himmelblauen Himmel, schoß eine Rakete ab, und dann sah man, wie Herr Fallschirmpilot Gadow hoch oben in aller Gemütsruhe ausstieg, als handle es sich darum, aus der Straßenbahn zu springen. Der Anfang war ein wenig beängstigend, aber man war ja der zuversichtlichen Überzeugung, daß alles gut gehen würde, und das tat es dann auch. Zunächst fiel der schwarze Mann in der Luft fabelhaft schnell, dann aber entfaltete sich der weiße Fallschirm, und nun gings gemütlich mit spaddelnden Beinen in die gräuliche Tiefe, die sich jedoch sehr wohlwollend benahm.
Mann und Schirm fielen einträchtig ins Wasser, ein Ruderboot in der Nähe bot den ersten Stützpunkt, und dann fischte eine Barkasse den Verwegenen auf. Anscheinend vergnügt und jedenfalls unbeschädigt ging er über den Laufsteg an Land. Seinen Fallschirm trug er aufgewickelt unter dem Arm. Das Publikum war begeistert.
Später hielt der Pilot in der Elbschlucht einen Vortrag mit Vorführung des Fallschirms. Es geht alles furchtbar einfach vor sich, es kann eigentlich gar nichts passieren, man muß den kleinen Sprung nur wagen. Wollen Sie es nicht einmal versuchen, meine Dame?
Nachher gabs noch überall Musik mit Lampions und Mondschein, und die kleinen Mädchen konnten wieder einmal gar nicht nach Hause finden. Was soll man dazu sagen? – Hoffentlich ist heute Abend wieder schöner Wetter.