Collision an der Dampfschiffsbrücke in Neumühlen

Altonaer Nachrichten, Juni 1895

Als heute Abend gegen 7 1/2 Uhr der englische Korndampfer „Thornaby“ ausgehend Neumühlen passierte, rammte er durch einen bisher noch nicht näher aufgeklärten unglücklichen Zufall mit solcher Wucht gegen die neue Neumühler Dampfschiffsbrücke, daß diese zertrümmert wurde.

Die Beschädigungen, welche durch den Zusammenstoß hervorgerufen, sind sehr schwer; die eisernen Pfeiler der Brücke sind wie Streichhölzer geknickt; der Ponton der Wientapper’schen Badeanstalt ist theilweise zertrümmert, außerdem sind sechs Herrn Wientapper gehörige Boote zerschellt und untergegangen. Der Ponton ist sehr beschädigt, wurde gestern zur Reparatur abgeholt, und die Ausbesserung wird mindestens drei Wochen dauern.

Dampfschiffsbrücke (Landungsbrücke) in Neumühlen um 1900
Dampfschiffsbrücke (Landungsbrücke) in Neumühlen um 1900

Wie es hieß, ist am Steuer des Dampfers etwas nicht in Ordnung gewesen, der Capitän mußte entweder gegen einen ihm entgegenkommenden, mit mehr als 100 Personen besetzten Lustdampfer anrennen oder gegen die Brücke fahren. Er hatte soviel Geistesgegenwart, das letztere zu thun, immer noch in der Hoffnung, hart an der Brücke vorbei fahren zu können.

Allgemeines Lob wurde dem Besitzer des an der Brücke gelegenen Oevelgönner Fährhauses, Madsen, zu Theil. Derselbe stand auf der Brücke, auf welcher sich mehr als 50 Personen befanden, und er sah, daß der Dampfer direkt auf die Brücke los fuhr. Er rief den nichts ahnenden Leuten zu, daß sie sich schleunigst retten sollten, riß selbst noch einige Personen zurück und bemerkte, daß alle rechtzeitig die gefährliche Stelle verlassen konnten. Auch die in großer Gefahr befindlichen Besucher der Wientapper’schen Badeanstalt retteten sich auf die Zurufe von Madsen, nur mit Badehose bekleidet, in Booten an’s Land.

Der Anblick der Trümmerstätte ist ein interessanter und dieselbe wurde gestern von zahlreichen Personen in Augenschein genommen. Die Brücke ist begreiflicher Weise für den Verkehr gesperrt und es ist ein Polizeibeamter daselbst postiert, um Unberufene fernzuhalten.

Der Dampfer gehört zu einer Gesellschaft, welche im Munde der Oevelgönner und Neumühler Lotsen scherzhaft die Bezeichnung „Kurz- und Kleinmacher-Gesellschaft“ erhalten hat, angeblich, weil ihre Dampfer wiederholt in Collision gewesen sind.

Ein Dampfer vor Neumühlen um 1900
Ein Dampfer vor Neumühlen um 1900