Eine Kindheit in Övelgönne: Der Rollponton

Drei Damen, zwei arbeitswillige Övelgönner Jungens und ein Malheur im Sommer 1931

Für nicht „Strandkundige“ muß ich wohl erst mal das Prinzip und die Arbeitsweise eines Rollpontons erklären. Den Hauptteil bildet eine Holzplattform von ca. sechs mal drei Metern, die auf einem komplizierten Rädersystem gelagert ist. Die Räder des Pontons sind dem Neigungswinkel des Strandes entsprechend gross angeordnet. Das heißt, die vorderen Räder sind fast mannshoch, und die hinteren Räder haben knapp einen Meter Durchmesser. Auf Grund der verschiedenen Radgößen liegt die darauf montierte Holzplattform genau in der Wasserwage.

Aber das Herz eines Rollpontons ist die auf der Plattform montierte Winde – eine Handwinde mit großer und kleiner Übersetzung und Bremse. Das Ende des aufgespulten Drahtes ist an Land festgemacht. Mittels dieser Winde kann also der Rollponton, je nach Wasserstand, hoch- und runtergedreht werden. Das heißt praktisch: Ab Pallhochwasser wird der Ponton alle 20 Minuten ein Stückchen weggefiert, so daß das Pontondeck immer in gleicher Höhe mit dem Dollbord der Mietsbote liegt. Bei steigendem Wasser ist es genau gegenteilig. Alle 20 Minuten muss der Ponton ein Stückchen höher gedreht werden.

Eine Bootsvermietung ist keine einfache Sache. Die Bootsvermieter sind schon auf die Hilfe von arbeitswilligen Jungens angewiesen – das glaubten wir als Jungens jedenfalls.

So stehen also die Dinge an einem herrlichen Sonntagmorgen im Sommer 1931. Wir als Jungens hatten dafür zu sorgen, daß genügend Mietsboote am Ponton lagen, und, wenn eine „Kunde“ kam, daß das Boot mit einem Bootshaken entsprechend längsseits geholt wurde, daß die Kissen gerichtet waren und das Steuer richtig eingehakt war.

Eine Bootsvermietung ist keine einfache Sache. Die Bootsvermieter sind schon auf die Hilfe von arbeitswilligen Jungens angewiesen – das glaubten wir als Jungens jedenfalls. Unsere Hilfsbereitschaft wurde aber auch entsprechend entlohnt. So durften wir, wenn die Bootsvermietung nicht gerade voll ausgelastet war, schon mal ein Weilchen mit einem Mietsboot rudern.

Alle drei hatten einen Sonnenschirm aufgespannt, um sich und ihre Kompotthüte vor der Sonne zu schützen. Sie waren aufgetakelt wie ein Vollschiff in den Passatwinden.

Wie gesagt, es war ein herrlicher Sonntagmorgen. Mein Freund Hansi Hasselmann und ich versahen den „Kundendienst“ auf dem Rollponton. Alles war wie immer. Das Einzige, was aussergewöhnlich war, waren drei ältere Damen, die auf dem Rollponton auf einer Bank vor der Winde saßen. Alle drei hatten einen Sonnenschirm aufgespannt, um sich und ihre Kompotthüte vor der Sonne zu schützen. Sie waren aufgetakelt wie ein Vollschiff in den Passatwinden.

Inzwischen hatte die Flut ihren höchsten Wasserstand erreicht, und die Ebbe setzte ein. Nach einer Weile wäre es an der Zeit gewesen, den Ponton etwas wegzufieren. Aber Herr Lührs und Onkel Herbert schienen keine Zeit zu haben. Sicherlich hatten sie mit irgendwelchen Kunden zu tun, im Ostschuppen oder im Westschuppen. Das Wasser war inzwischen so weit gefallen, daß die ersten Leute Schwierigkeiten hatten, in die Boote zu steigen. Von Onkel Herbert und Herrn Lührs war immer noch nichts zu sehen, auch Karl Horn war nicht in der Nähe, ebenso war Schorsch Saft, der Mann, der mit den Augen warf – ein Spruch von Onkel Herbert: „Schorsch, wirf doch mal ein Auge auf die Boote und die Jungens“ – nicht zu sehen.