Pfingssonntag in Övelgönne Mitte der 30er Jahre. Die Welt war voller Frieden und Sonnenschein
Es war an einem Pfingstmorgen, Mitte der 30er Jahre. Auf ein Jahr genau will ich mich nicht festlegen. Es war ein traumhafter Morgen; der Himmel strahlend blau, kein Wind, die Bienen summten und brummten um den Kaffeetisch. Zur Feier des Tages wurde in der Laube im Garten gefrühstückt. Auf der Elbe fuhren Barkassen und kleine Schlepper elbabwärts, mit Flaggen und Girlanden geschmückt, voll mit fröhlichen Menschen. Die Welt war voller Frieden und Sonnenschein.
Wir Jungens waren schon im vollen „Ornat“. Eigentlich war schon das Kaffeetrinken in diesem Aufzug ein großes Risiko
Wir Jungens waren schon im vollen „Ornat“, das heißt: weiße Matrosenanzüge, blaue Marinekragen, weiße Socken und Lackschuhe. Eigentlich war schon das Kaffeetrinken in diesem Aufzug ein großes Risiko, wenn man bedenkt, dass anläßlich des Pfingstfestes Kakao und weichgekochte Eier auf den Tisch kamen.
Mit ermahnenden Worten wurde natürlich nicht gespart. „Bitte, sitz still, halt die Tasse gerade, nimm den Eierlöffel nicht so voll, pass auf, die Marmelade leckt Dir gleich vom Brot!“, usw. Meine Mutter hatte in der Richtung ein unerschöpfliches Repertoir an Ermahnungen auf Lager, die immeer mit dem gleichen Satz endeten: „Denk an Dein sauberes Zeug!“
Nach Beendigung des Frühstücks lehnte ich mich über das Gartengitter und betrachtete das Leben und Treiben unter mir am Strand. In großen Scharen kamen die „Stadtsches“ beladen mit Badebündeln, Taschen und Sonnenschirmen.
„Was stehst Du da herum und guckst Löcher in die Luft?“ „Ich gucke keine Löcher in die Luft, ich denke an mein sauberes Zeug.“ (Wäre der Abstand zwischen Tisch und Gartengitter nicht so groß gewesen, hätte ich wohl meine erste Ohrfeige eingefangen.) „Los, hilf doch mit, das Geschirr nach oben zu tragen!“ Ich half also mit. Und zu guter Letzt schüttelte ich noch das Tischtuch aus – über die Gartenmauer, versteht sich -; daß sich genau darunter schon eine Familie breitgemacht hatte, hatt ich natürlich nicht gesehen. – Dass Leute immer gleich so pöbeln müssen.
Nachdem ich in der Küche das ordentlich gefaltete Tischtuch abgegeben hatte, ließ ich noch einmal das Repertoir der Ermahnungen über mich ergehen, diesmal allerdings mit einigen Zusatzformeln: „Nicht an den Strand oder gar ans Wasser gehen, nicht bei Lührs auf den Ponton und nicht nach Neumühlen in den Heuhaufen auf den Ewern herumklettern.“ Dann das obligate: „Denk an Dein sauberes Zeug.“ Jetzt war ich endgültig entlassen. Mein Bruder, er war einige Jahre älter, ging seine eigenen Wege.
Plötzlich fiel mein Blick auf die Ölkanne… Am Abend vorher war sie mit dem Abendhochwasser angetrieben.
Ich schlenderte also wieder in den Untergarten und sah mir das Strandleben erneut an. Der Familie unterhalb der Mauer, die ich vorher reichlich mit Brotkrümeln bedacht hatte, schenkte ich keinen Blick. Plötzlich fiel mein Blick auf die Ölkanne… Am Abend vorher war sie mit dem Abendhochwasser angetrieben. Ich fand sie, als ich von Lührs nach Hause ging. Eine kurze Untersuchung ergab, dass sie noch vollkommen intakt war, auch die kleine Pumpe oberhalb des Handgriffs funktionierte noch. Ich schüttelte sie, offensichtlich war sie voll Wasser. Die Ölkann warf ich in unseren Garten hinauf. Ich hatte noch ein Stück Strand abzugrasen, um zu sehen, ob mit dem Hochwasser noch etwas Brauchbares angetrieben war.
Aber nichts war. Und außerdem war es Zeit, dass ich nach Hause kam, denn es war ja Sonnabend; und jeden Sonnabend mußten wir die große Waschung über uns ergehen lassen. Zu diesem Zweck wurde die große Zinkbadewanne aus dem Schauer geholt. Der Küchenherd war angeheizt und vollgestellt mit allen möglichen Töpfen und Eimern. Die Zinkwanne schluckte unheimliche Mengen von heißem Wasser. Im Sommer und überhaupt bei gutem Wetter fand die Aktion im Freien statt, im Winter in der Küche. Vollzog sich das Bad in der Küche, kam nach genau vorausberechneter Zeit der Spruch: „Plantsch nicht so, siehst Du nicht?!“ „Jaja, ich sehe, die halbe Küche steht schon unter Wasser.“ – Klatsch (!) – eine mittlere Orhfeige.